Klartext. Solides Handwerk in interessanten Zeiten. [2020/08]

Sie kennen es sicherlich, das chinesische Sprichwort „Mögest du in interessanten Zeiten leben“. Ob es ein gut gemeinter Wunsch oder ein Fluch ist, darüber scheiden sich die Geister. So oder so, dass wir im Jahr 2020 im Hinblick auf die Kapitalmärkte in interessanten Zeiten leben, wird niemand bestreiten. Ebenso wenig wie die Feststellung, dass die heutigen Zeiten Fluch und Segen zugleich beinhalten: Klimawandel, Auswirkungen geopolitischer Spannungen auf internationale Lieferketten, gesellschaftliche Umbrüche, Energiewende und nicht zuletzt die Corona-Pandemie. All dieses stellt über Jahrzehnte bewährte Geschäftsmodelle plötzlich infrage. Gleichzeitig erleben wir aber auch, dass Start-ups sich innerhalb kürzester Zeit zu milliardenschweren Konzernen entwickeln.

Würden Sie TikTok kaufen?

Nun lesen Sie diese Zeilen nicht der interessanten Sprichwörter wegen, sondern weil Sie sich fragen, was die „interessanten Zeiten“ mit ihrem Portfolio machen können. Genau dazu ein Statement abzugeben, wurden wir kürzlich im Rahmen eines Presseinterviews zu unserem Social Media & Technology Fonds gebeten. Unsere Antwort darauf: Bei der Entscheidung, einen Titel zu kaufen oder zu verkaufen ist weiterhin solides analytisches Handwerk gefragt. Daran führt kein Weg vorbei. Mögen Ihre Kinder- wie Millionen andere junge Menschen – TikTok auch noch so süß oder witzig finden, allein das reicht für eine positive Investmententscheidung nicht aus. Aber es ist ein wichtiger Indikator. Denn in den heutigen Zeiten ist es unabdingbar, nicht nur die traditionelle Fundamentalanalyse zu praktizieren, sondern auch mit einer „subjektiven Analyse“, den individuellen Merkmalen neuer, potenziell bahnbrechender Unternehmen gerecht zu werden.

Haben Sie drei Minuten Zeit? Dann lassen Sie uns die unterschiedlichen Herangehensweisen an 3 weltbekannten, aber ganz verschiedenen Unternehmen/Unternehmungen verdeutlichen: General Motors, Amazon und TikTok. Letztere Unternehmung gehört zwar der chinesischen Gesellschaft Beijing Byte Dance Technology, Gerüchte über ein baldiges IPO existieren jedoch seit einiger Zeit.

Beginnen wir mit einem alteingesessenen Unternehmen, der General Motors Company. Gegründet 1908 ist General Motors noch immer einer der größten Automobilhersteller der Welt. Das Unternehmen war 83 Jahre lang Teil des Dow Jones Industrials Index. Es gehörte somit zu den größten, wichtigsten und profitabelsten in den Vereinigten Staaten und ist aktuell wieder (seit Insolvenz und Teilverstaatlichung im Jahr 2009) ein Bilderbuchrepräsentant der Gruppe grundsolider, lange Zeit den Markt dominierender Unternehmen. Mit einer aktuellen Marktkapitalisierung von ca. 86 Milliarden Dollar und ca. 164.000 Mitarbeitern ist General Motors auch heute noch ein wirtschaftliches Schwergewicht. Soll man Jahr 2020 Aktien an einem solchen Unternehmen erwerben? Wir werden Sie, liebe Leser, hier jetzt nicht mit einer kompletten Fundamentalanalyse der GM-Aktie langweilen, sondern greifen stellvertretend lediglich zwei klassische Kennzahlen der fundamentalen Aktienanalyse, nämlich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und die Eigenkapitalrentabilität heraus. Mit einem aktuellen KGV von ca. 4,3 ist GM vergleichsweise günstig bewertet. Die Eigenkapitalrentabilität von ca. 24,3 % ist ebenfalls attraktiv. Viele der restlichen, hier aus Zeitersparnis nicht genannten „klassischen“ Kennzahlen deuten auf ein profitables, eher unterbewertetes, solides Unternehmen hin.

Doch wie steht es um das Wachstum? Hierzu hinterlassen die Zahlen keinen guten Eindruck. Angesichts der allseits bekannten Veränderungen in der Autoindustrie, begleitet von der krisenbedingt schwächelnden Wirtschaft, ist dies keine Überraschung. Für wachstumsorientierte Anleger gilt daher: Sei die Bewertung noch so günstig, es gibt zu GM vielversprechendere Alternativen.

Amazon – die Aktie dieses E-Commerce Giganten könnte eine solche Alternative sein. Mit einem gegenwärtigen KGV von ca. 144 scheint sie auf den ersten Blick maßlos überteuert. Die Eigenkapitalrentabilität von ca. 18,7 % ist gemessen an historischen Standards zwar durchaus attraktiv, aber deutlich schlechter als die von GM. Warum sind Anleger dennoch bereit, einen derart hohen Preis für die Amazon-Aktie zu zahlen? Die Antwort darauf lässt sich mit der klassischen Fundamentalanalyse nicht finden. Für diese Preisfindung nämlich spielen Wachstumspotential und Markterwartungen eine wesentliche Rolle, als Charakteristika also, die sich nur durch eine „subjektive Analyse“ erfassen lassen.

Nehmen wir den Faktor Marktanteil: Im Jahr 2018 dominierte Amazon den amerikanischen E-Commerce Markt mit einem Anteil von 49 %. Am gesamten US-Einzelhandel war Amazon mit 5 % beteiligt. Bemerkenswert auch die vorherrschende Stellung im globalen Cloud Computing Markt, er wird zu 50% allein von Amazon bestritten.

In diesen Fakten drückt sich das beachtliche Wachstumspotenzial des Unternehmens aus. Genau das ist die Basis für die sehr hohe Bewertung der Amazon-Aktie. Bei dieser Betrachtung scheint ein KGV von 144 gar nicht mehr überteuert, vielleicht sogar preiswert. Skeptiker mögen dieser Betrachtung entgegenhalten, dass anbetrachts der Marktmacht des Unternehmens durchaus eine reale Gefahr einer durch den Staat verordneten Zerschlagung des Unternehmens besteht. Selbst das wäre aber gar nicht so schlimm. Denn wenn es geschähe, wäre es wahrscheinlich nicht zum Nachteil der Amazon-Aktionäre. Im Gegenteil: Der Wert, der aus der Zerschlagung resultierenden Unternehmen, könnte dann noch höher sein als der Unternehmenswert vor der Zerschlagung.

Nun zu TikTok – einer Plattform, die angeblich Ihr Leben versüßen soll. Beijing Bytedance Technology, Besitzer von TikTok, bewertet die Plattform im Zuge seiner IPO Überlegungen mit ca. 50 Milliarden US Dollar. Nicht wenig für eine Software, die erst seit September 2016 am Start ist und im Jahr 2019 einen Umsatz von ca. 177 Millionen US Dollar generiert hat. Es gibt für die Plattform noch keine zuverlässigen Profitabilitätszahlen, jedoch wäre das KGV bei einem Umsatz von 177 Millionen Dollar und einer Bewertung von 50 Milliarden Dollar astronomisch hoch. Auch eine seriöse Eigenkapitalrentabilität ist in diesem frühen Stadium nicht zu ermitteln.

Mit einer subjektiven Analyse kommt man dem wirtschaftlichen Potenzial der Plattform näher. Das Umsatzwachstum im Jahr 2019 macht einen sehr dynamischen Eindruck: Ende des Jahres wuchs der Umsatz von einem Quartal zum nächsten um ca. 100 %, von einem Kalenderjahr zum anderen um 500 %. Obwohl sich dieses starke Wachstum in absoluten Zahlen noch auf einem relativ niedrigen Niveau befindet, ist es trotzdem relevant.

Insbesondere bei sehr erfolgreichen Softwareunternehmen bewegt sich die Entwicklung des Profits oft entlang einer wie ein Hockeyschläger oder wie ein J geformten Kurve. Der Großteil der Kosten fällt zunächst bei der anfänglichen Programmierung der Software an. Demgegenüber sind die Erträge in diesem Zeitraum noch sehr gering. Gewinnt das Unternehmen sodann die ersten Nutzer, gleichen sich Kosten und Ertrag an. Wächst die Zahl der Nutzer weiter, steigen die Kosten jedoch dann nicht mehr proportional zu den wachsenden Erträgen. Vielmehr vergrößert sich die Kosten–Ertragsspanne stetig.

Auch hier sind also neben den Ist-Zahlen die realistischen Erwartungen ausschlaggebend, sie entscheiden über die Frage ob man TikTok als potenziell sehr erfolgreiches Softwareunternehmen betrachten kann.

Der wirtschaftliche Erfolg der App hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab: erstens von der Anzahl der aktiven User und zweitens vom Potenzial der Software als Werbeplattform. Bezüglich der aktiven User hat TikTok sich bereits als sehr erfolgreich erwiesen. Innerhalb von drei Jahren seit ihrer Einführung hat die App ca. 800 Millionen aktive User, 650 Millionen davon außerhalb Chinas. Zum Vergleich: Facebook erreichte diese Anzahl aktiver User nach 4 Jahren, Instagram erst nach 6 Jahren.

Wie effektiv TikTok als Werbeplattform ist, hängt davon ab, auf wie viele Daten ihrer Nutzer die App Zugriff hat, wie detailliert diese Daten sind und wie erfolgreich die Plattform sie zu Werbezwecken nutzen kann. Auch hier scheint TikTok in einer Klasse für sich zu sein. Die App liest den Speicher der Smartphones, auf denen sie installiert ist, einmal pro Sekunde aus und schickt diese Daten an das Unternehmen. Dies führt zu einem sehr umfangreichen und qualitativ hochwertigen Datensatz. Die Daten werden dann mithilfe hoch entwickelter künstlicher Intelligenz analysiert und ermöglichen somit absolut präzise Werbekampagnen.

TikTok hat also zweifellos enormes wirtschaftliches Potenzial und eine aktuelle Bewertung von 50 Milliarden US Dollar ist deshalb vielleicht gerechtfertigt. Allerdings bestehen auch erhebliche Risiken: Weil der indische Staat letztes Jahr mit einigen von Usern geposteten Inhalten nicht einverstanden war, wurde die App in dem Land vorübergehend verboten. Indien war zu diesem Zeitpunkt der wichtigste Markt für TikTok außerhalb Chinas. Solch ein Verbot kann also durchaus existenzbedrohend sein. Aufgrund des umfangreichen und teilweise intransparenten Datensammelns, bewegt sich die App auch in den USA auf dünnem Eis. Die Regierung droht bereits mit einem Verbot, sollte die US- Version der App nicht innerhalb der nächsten 45 Tage den Besitzer wechseln. Wie man sieht, nicht nur das wirtschaftliche Potenzial, sondern auch die Risiken sind beträchtlich. Alles in allem betrachten wir TikTok in diesem frühen Stadium selbst für risikobereite Privatanleger als zu riskant. Ein solches Engagement passt eher zu einem Venture Capital- oder Hedgefonds.

Drei unterschiedliche Unternehmen, jedes für sich interessant, aber nicht mit klassischen Methoden durchgängig bewertbar. Die herkömmliche Fundamentalanalyse dient auch bei Vertretern des extrem wachstumsstarken Digitalisierungssektors als grundlegender Orientierungspunkt. Sie kann allerdings viele wichtige Wachstumstreiber dieser neuen Unternehmen nicht quantitativ erfassen. Deshalb braucht es die Kombination der Fundamentalanalyse mit einer subjektiven Analyse der neuen Wachstumstreiber. Eine Aufgabe, der wir uns insbesondere bei der Titelauswahl für unseren erfolgreichen Social Media & Technology Fonds gerne stellen. Für Sie.Das Leben in interessanten Zeiten bietet neue und aufregende Ertragsmöglichkeiten. Von einem Fluch kann jedenfalls keine Rede sein.

Social Media & Technology

Mit einem vierwöchigen Anteilspreisanstieg von 0,18 % legte der Quint:Essence Strategy Social Media & Technology eine kleine Sommerpause ein. Ende Juli liegt der Fonds nun bei einer bisherigen Jahresperformance von 7,89 %.

Das Portfolio des Strategy Social Media & Technology erhielt im vergangenen Monat einen interessanten Neuzugang: Mit Akamai Technologies Inc. hielt ein weiteres Unternehmen Einzug ins Fondsportfolio, dessen Technologie ein integraler Bestandteil der heutigen Digitalisierungsinfrastruktur ist. Mit weltweit über 200.000 Servern und ca. 1700 Netzwerken betreibt das in Cambridge, Massachusetts, beheimatete Unternehmen die größte und meistgenutzte flexible Computerplattform zur Auslieferung und Beschleunigung von Webinhalten. Somit profitiert Akamai zum Beispiel vom stark wachsenden Videostreaming-Geschäft großer Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime. Im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 erzielte Akamai Technologies ein Umsatzwachstum von über 44 %. Angesichts des enormen Wachstums von Videostreaming, Musicstreaming und der zunehmenden Nutzung von Cloudservices erwarten wir in den kommenden Jahren eher noch stärkere Wachstumsraten in diesem Bereich der Internetinfrastruktur. Dementsprechend rechnen wir mit erfreulichen Performancebeiträgen des Papiers und haben es mit ca. 3,65 % des Fondsvermögens gewichtet.
Was die generelle Ausrichtung des Social Media & Technology Portfolios betrifft, gab es im Juli keine bedeutenden Veränderungen. Obwohl der Digitalisierungstrend nach wie vor intakt ist und er auch weiterhin starkes Ertragspotenzial bietet, bestehen erhebliche kurz- und mittelfristige Risiken, die teils zu hoher Volatilität führen. Deshalb verfügt das Fondsportfolio auch weiterhin über einen hohen Cashanteil, sowie eine starke Gewichtung an inflationsindexierten US Staatsanleihen.

Die Bestandteile des performancetreibenden SMAT Segments sollten trotz aller Volatilität, auch in den kommenden Monaten für einen Anteilspreisanstieg des Strategy Social Media & Technology sorgen. Die Papiere und liquiden Mittel des Stabilitätssegments gewährleisten gleichzeitig eine etwas weniger aufregende Schwankungsbreite.

Strategy Dynamic

Der Quint Essence:Strategy Dynamic legte im Juli eine Pause ein. Mit einem Anteilspreisanstieg von 0,01 % liegt der Fonds bei einer bisherigen Jahresperformance von -2,68 %. Somit hat sich der Anteilspreis des Fonds von Ende Juni bis Ende Juli praktisch nicht verändert.
Die Marktbedingungen sind während der vergangenen vier Wochen mehr oder weniger gleich geblieben. Das Coronavirus hat die Welt nach wie vor fest im Griff und stellt auch weiterhin eine unberechenbare Gefahr für Gesundheit, Wirtschaft und Märkte dar. Die Geldentwertung durch Zentralbankmaßnahmen – und mit ihr die Vermögenspreisinflation – schreiten ungebrochen voran und stützen unter anderem die Aktienmärkte. Weil in absehbarer Zukunft wohl kein Weg an Niedrigzins, Liquiditätsspritzen und anderen Konjunkturmaßnahmen vorbeigeht, ist der langfristige Aufwärtstrend der Aktienmärkte trotz der aktuellen Volatilität weiterhin intakt. Mit einer Aktienquote von fast 77 % ist der Quint Essence:Strategy Dynamic gut positioniert, um von dieser langfristigen Entwicklung zu profitieren. Gleichzeitig sorgen die mit gut 8 % gewichtete, inflationsindexierte US Staatsanleihe und die ca. 15-prozentige Cashquote für Risikoreduzierung und eine geringere Volatilität.
Anleger, die sich von der aktuellen Volatilität nicht ins Bockshorn jagen lassen, sollten in den kommenden Monaten noch viel Freude am Quint:Essence Strategy Dynamic haben.

Strategy Defensive

Im vergangenen Monat gab es für den Quint:Essence Strategy Defensive kein rechtes Vorankommen. Mit einem monatlichen Anteilspreisrückgang von 2,15 % weist der Fonds Ende Juli eine bisherige Jahresperformance von -3,45 % auf.

Die Schwäche des US-Dollars während der vergangenen Wochen bremste den Anteilspreisanstieg des Strategy Defensive kurzfristig aus. Der Fonds hat mit einer US-Dollar Gewichtung von ca. 35 % eine erhebliche Exposure zur US-amerikanischen Währung und musste deshalb im Juli einen Teil seiner seit März erzielten Kursgewinne wieder abgeben. Trotzdem halten wir an der Strategie eines im Fondsportfolio stark gewichteten US Dollars fest. Angesichts des weiterhin enorm risikoreichen Marktumfeldes und der nach wie vor unangefochtenen Stellung der US-Währung als Safe Haven, reduziert diese Fremdwährungsposition das Gesamtrisiko des Fondsportfolios. Außerdem erwarten wir von der US Wirtschaft eine im Vergleich zum Euroraum schnellere und stärkere Erholung nach der Coronakrise. Dementsprechend sollte das Portfolio des Strategy Defensive aufgrund der starken Dollar-Gewichtung langfristig von einem reduzierten Risiko und einem gesteigerten Ertrag profitieren.

Es gab im Juli keine Veränderungen an der Zusammensetzung des Defensivportfolios. Ähnlich wie in den Vormonaten, halten wir mit ca. 17,5 % einen beträchtlichen Teil des Fondsvermögens in Cash und Gold. Die mit ca. 61 % gewichteten Anleihen höchster Bonität stellen immer noch den Löwenanteil des Fondsportfolios. Der Aktienanteil des Quint:Essence Strategy Defensive betrug am Monatsende ca. 21,5 %.

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation und des globalen Marktumfelds steht für konservative Anleger Vorsicht eindeutig vor Ertrag. Die gegenwärtige Portfoliozusammensetzung des Strategy Defensive reflektiert diese Lage. In Abwesenheit grundlegender Veränderungen des Marktumfelds ist deshalb in absehbarer Zeit nicht mit großen Veränderungen am Portfolio des Quint:Essence Strategy Defensive zu rechnen.

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Ihr Team der Quint:Essence Capital